Charakterisierung und Modellierung des Werkstoffverhaltens von Kunststoffen

Das Verständnis des komplexen Werkstoffverhaltens der Kunststoffe ist wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Auslegung von Bauteilen und Verarbeitungsprozessen. Die Eigenschaften des Werkstoffs werden erst im Verarbeitungsprozess definiert.

Wir erforschen auf dem Gebiet der Werkstofftechnik die folgenden Schwerpunkte:

  • den Einfluss der Bestandteile (z.B. Additive, Füllstoffe),
  • die innere Struktur des Werkstoffs (z.B. Faserorientierungen, kristallines Gefüge),
  • die Konstruktion sowie die wirkenden Belastungen im Einsatz (z.B. zeitlicher Verlauf, Temperatur).

Ziel unserer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten

Ziel unserer Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten ist eine für den Anwendungsfall geeignete prüftechnische Charakterisierung und Modellierung des Werkstoffverhaltens. Daraus leiten wir verlässliche Daten für eine realitätsnahe – das heißt werkstoff- und belastungsgerechte – Vorhersage der Bauteileigenschaften im Rahmen der virtuellen Produktentwicklung ab. Verarbeitungsprozesse modellieren wir mit dem Ziel, die Prozess- und Werkzeugauslegung simulativ zu unterstützen und das verarbeitungsabhängige Werkstoffverhalten im Bauteil abbilden und gezielt einstellen zu können.

Im Fokus stehen thermoplastische Kunststoffe sowie thermoplastische Elastomere, Duroplaste und Elastomere. Werkstoffkombinationen wie stoffschlüssig verbundene Kunststoff/Metall-Hybride sind ebenfalls Gegenstand der Forschung. 

Aktuelle Forschungsthemen im Bereich Werkstofftechnik

Thermoplastische Elastomere (TPE) werden aufgrund ihrer gummiähnlichen Gebrauchseigenschaften und ihrer thermoplastischen Verarbeitbarkeit vermehrt in der Automobilbranche, Medizintechnik sowie in Gebrauchsartikeln eingesetzt. Für die Abbildung des Materialverhaltens dieser Werkstoffgruppe stehen in den verfügbaren kommerziellen Struktursimulationsprogrammen keine geeigneten Materialmodelle für diese Werkstoffgruppe zur Verfügung.

Das Materialverhalten von TPE ähnelt einem reinen Elastomer und weist ebenfalls ein nichtlineares Materialverhalten, einer Spannungserweichung sowie einer Restverformung auf. Aufgrund der thermoplastischen Phase weist das visko-elasto-plastische Materialverhalten jedoch auch einige Unterschiede im Vergleich zu reinen Elastomeren auf. TPE besitzen sowohl eine wesentlich höhere Anfangssteifigkeit als auch eine höhere Restverformung nach Entlastung auf. Des Weiteren ist das visko-elasto-plastische Materialverhalten stark von der Temperatur, der vorliegenden Anisotropie als auch vom lokalen Beanspruchungszustand abhängig. Folglich müssen diese Einflussgrößen auch in entsprechenden Modellen berücksichtigt werden.

Daher beschäftigt sich das IKV aktuell mit der Entwicklung geeigneter Materialmodelle für Thermoplastische Elastomere unter der Berücksichtigung der wichtigsten Einflussfaktoren. Hierfür werden bestehende Materialmodelle für reine Elastomere erweitert bzw. neue Materialmodelle entwickelt, um eine bessere Auslegung von TPE-Bauteilen zu ermöglichen.

Additive Fertigungsverfahren (AF) basieren auf einem schichtweisen Materialaufbau. Diese Technologien bieten aufgrund der daraus resultierenden Geometriefreiheit und rohstoffeffizienten Fertigung das Potenzial, Kunststoffprodukte neu zu gestalten und Fertigungsabläufe zu restrukturieren.

Ein vielversprechendes Einsatzgebiet von additiven Fertigungsverfahren ist die Herstellung von großvolumigen Kunststoffbauteilen in geringen Losgrößen. Diese wurden bisher entweder aufwendig handwerklich hergestellt oder waren mit hohen Werkzeugkosten verbunden. Allerdings ist aufgrund werkstoff- und prozessseitiger Herausforderungen derzeit nur eine sehr eingeschränkte Materialpalette für die plastifizierende, additive Fertigung verfügbar.

Das Ziel dieses Vorhabens ist daher die Entwicklung und Bereitstellung von thermoplastischen Werkstoffen für die plastifizierende additive Fertigung großvolumiger Bauteile. Die zur systematischen Verbesserung der erzielbaren Werkstoffeigenschaften und Kalibrierung der Simulationsmodelle durchzuführenden prozesstechnologischen Untersuchungen ermöglichen eine Erweiterung und Optimierung der Large Area Additive Manufacturing (LAAM)-Technologie.

Technische Bauteile sind in ihrer Einbausituation oft Schwingungsanregungen ausgesetzt und werden dadurch zur Geräuschabstrahlung angeregt. Die Bauteilauslegung hinsichtlich akustischer Randbedingungen kann für unverstärkte Thermoplaste mit Methoden und Materialmodelle erfolgen, die bereits in kommerziellen Struktursimulationsprogrammen vorhanden sind. Darüber hinaus konzentriert sich die Forschung am IKV auf eine werkstoffgerechte Akustiksimulation thermoplastischer Werkstoffe, die eine deutlich verbesserte Abbildungsgüte ermöglicht. Neben der Verbesserung der Methoden für unverstärkte und damit mechanisch isotrope Kunststoffe wurde erstmalig auch eine Akustiksimulation anisotroper kurzfaserverstärkter Thermoplaste mithilfe einer integrativen Berechnungsmethode umgesetzt. Mit dem am IKV entwickelten Materialmodell kann das sowohl richtungs- als auch frequenzabhängige Steifigkeits- und Dämpfungsverhalten kurzfaserverstärkter Thermoplaste berechnet werden. Die Vorteile dieser Methode werden besonders an Bauteilen mit ausgeprägter Faserorientierung deutlich. 

Bauteile aus faserverstärkten Kunststoffen (FVK) erfahren im Laufe ihrer Einsatzlebensdauer häufig eine zyklische Beanspruchung. Daher ist neben einer statischen Auslegung die rechnerische Vorhersage der Einsatzlebensdauer insbesondere für sicherheitsrelevante Bauteile zwingend erforderlich.

Das Ziel des SPP 1466 besteht darin, ein grundlegendes Verständnis des Ermüdungs- und des Bruchverhaltens von aus unidirektionalen (UD)-Einzelschichten aufgebauten Laminaten unter schwingender Belastung mit bis zu 108 Lastwechseln aufzubauen und modellhaft zu beschreiben. Besonders das notwendige grundlegende Verständnis der Mikroschädigungsentwicklung UD-verstärkter Einzelschichtenwurde durch experimentelle Arbeiten unter mehrachsigen Beanspruchungszuständen erarbeitet.

Im Projekt „MatOptSV“ wird zusammen mit der Firma Simcon kunststofftechnische Software GmbH eine Methode entwickelt, mit der optimierte Materialdaten zur verbesserten Beschreibung des rheologischen, thermischen und pvT-Verhaltens von Thermoplasten generiert werden können. Dazu wird zum einen der Prozesseinfluss auf Schwindung und Verzug verschiedener Materialien und Bauteile experimentell bestimmt. Zum anderen werden Schwindung und Verzug für dieselben Versuche mit der Software Cadmould, aufbauend auf konventionell ermittelten Materialdaten, simuliert. Aus der so gewonnenen Datenmenge werden die Materialdaten mithilfe eines Optimierungsalgorithmus angepasst, um eine genauere Abbildung der Realität zu ermöglichen. Die neue Methode soll eine deutlich verbesserte Vorhersagegenauigkeit von Schwindung und Verzug in der Spritzgießsimulation ermöglichen. Auch sollen durch die Anwendung des zu entwickelnden Verfahrens Materialdaten deutlich schneller und günstiger zu ermitteln sein. Das Projekt wird im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert.

Spritzgegossene kurzglasfaserverstärkte Bauteile sind in verschiedenen Anwendungen immer häufiger dynamischen Beanspruchungen ausgesetzt. Neben kostenaufwändigen Bauteilwöhlerversuchen an seriennahen Prototypen werden zur Charakterisierung des Ermüdungsverhaltens des Werkstoffs Wöhlerversuche an Probekörpern durchgeführt. Diese Charakterisierung stellt einen hohen zeitlichen Aufwand dar, ist jedoch sowohl für analytische Abschätzungen als auch für die für die am IKV auf Basis eines Masterwöhlerlinienkonzepts durchgeführten simulativen Lebensdauerberechnungen von Bauteilen essentiell. Angepasst an den jeweiligen Werkstoff werden fokussiert sich die Forschung am IKV auf die werkstoffgerechte Ermüdungsprüfung kurzglasfaserverstärkte Thermoplaste entwickelt. Dazu wird der Prüfumfang in Form spannungs- oder dehnungsgeregelter Werkstoffwöhlerversuche effizient definiert und die Randbedingungen wie Temperatur und Prüffrequenz festgelegt. Durch die genaue Analyse des viskoelastischen Materialverhaltens kann sichergestellt werden, dass die Ermüdung in Form mechanischer Zerrüttung erfasst und Effekte wie je nach Anwendung ungewolltes thermisches Versagen verhindert werden. 

Im Rahmen des Exzellenzclusters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ arbeitet das IKV sowohl mit Partnern aus der Industrie als auch mit weiteren Forschungseinrichtungen an der RWTH Aachen im Teilprojekt „Hybrid-Strukturbauteile“ an der Weiterentwicklung der Kunststoff/Metall-Hybridtechnologie. Die Zielsetzung der Forschungsaktivitäten des IKV sind zum einen die Untersuchung alternativer Fügeverfahren und zum anderen die Entwicklung neuer Ansätze zur Charakterisierung des mechanischen Werkstoffverhaltens von Multimaterialverbindungen unter kurzzeitdynamischer Belastung. Dazu wurde am IKV eine Trägerstruktur entwickelt, an der der Einfluss unterschiedlicher klein- bzw. mikroskaliger mechanischer Verbindungen unter Impactbelastung analysiert werden kann. Darüber hinaus wurde ein neuartiges Verfahren zur Charakterisierung des mechanischen Werkstoffverhaltens von Thermoplasten unter extremen Beanspruchungsgeschwindigkeiten entwickelt. 

In-situ-Messungen des Temperaturfeldes sind nötig, um den Herstellungsprozess zu beobachten und neue Simulationsmodelle zu validieren. In schmelzebasierten Fertigungsverfahren wie dem Spritzgießprozess ist dies ist eine Herausforderung, da das Temperaturfeld eine hohe Dynamik besitzt und hohe Kräfte auf die Form und die Schmelze wirken. Aktuell verwendete Verfahren basieren auf kontaktierenden Messtechniken, die jedoch nur punktuelle Informationen über einen kleinen Bereich liefern und aufgrund der hohen Kräfte lediglich zwischen Werkzeugwand und Schmelze eingesetzt werden. Zwar ist die Einbringung kontaktierende Sensoren in die Schmelze denkbar, jedoch ändern sie das Fließverhalten und damit die Temperaturverteilung in der Schmelze. Dies ist problematisch, da die zunehmende Genauigkeit neu entwickelter Simulationsmodelle hochpräzise Messtechniken für den Validierungsprozess erfordert.

Um die Temperaturverteilung während des Prozesses messen zu können, wird im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1120 "Bauteilpräzision durch Beherrschung von Schmelze und Erstarrung in Produktionsprozessen" ein neuartiges, nicht invasives Messkonzept auf Basis der Ultraschalltomografie entwickelt, das eine kontaktfreie Bestimmung der Temperaturverteilung in der Schmelze ermöglicht. Zur Durchführung werden zwanzig Sensoren in einem Werkzeug um eine zylinderförmige Kavität angeordnet. Das Ultraschallsignal wird über einen Vorlauf in die Schmelze eingespeist und die Schalllaufzeit mit den anderen Sensoren gemessen. Mit den Messdaten kann anschließend die Temperatur an verschiedenen Orten auf dem Querschnitt des Formteils mit einem speziell entwickelten Algorithmus rekonstruiert werden. Die Rekonstruktion besitzt gegenüber einem vorgegebenen Temperaturfeld sowohl eine hohe Genauigkeit als auch eine hohe Ortsauflösung. Aktuell wird ein Versuchswerkzeug konstruiert, das die Durchführung der Ultraschalltomografie während des Spritzgießprozesses erlaubt. Zudem werden die verwendeten Modelle auf realen Prozessbedingungen erweitert, um beispielsweise eine mögliche Streuung des Ultraschallsignals kompensieren zu können.

Im IGF-Forschungsvorhaben LFT-Crash entwickelt das IKV in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie eine integrative Simulationskette zur Abbildung des Deformations- und Versagensverhaltens langglasfaserverstärkter Kunststoffe unter stoßartiger Beanspruchung. Hierzu werden ein benutzerdefiniertes Materialmodell sowie ein Ansatz zur Kalibrierung des Modells entwickelt. Die Grundlage des Forschungsvorhabens bildet eine umfassende Charakterisierung der Einflussfaktoren Faserlänge, Faserorientierung und Fasergehalt in Bezug auf die Beeinflussung der bei der Crashsimulation ausschlaggebenden Dehnratenabhängigkeit von LFT-Werkstoffen. Hierzu werden am IKV entwickelte Ansätze zur Werkstoffprüfung und Materialdatenaufbereitung genutzt, mit deren Hilfe nicht nur eine im Vergleich zu Standardmessverfahren deutlich höhere Genauigkeit erzielt werden kann, die Messdaten können darüber hinaus ohne weitere Bearbeitung zur Kalibrieren von numerischen Modellen verwendet werden. Somit steht als Ergebnis neben einem verbesserten Verständnis des Werkstoffverhaltens von LFT unter kurzzeitdynamischer Belastung auch ein Ansatz zur Abbildung der gemessenen Effekte in der FEM zur Verfügung. 

In diesem Teilprojekt des Exzellenzclusters entwickeln wir eine skalenübergreifende Simulationskette zur Beschreibung der Kristallisationskinetik von teilkristallinen Thermoplasten und deren Auswirkung auf das mechanische Bauteilverhalten. Dabei besteht eine aktive Kooperation mit dem ACCESS e.V. Forschungscenter, Aachen und dem Politecnico di Bari, Italien.

Der am IKV entwickelte Teil dieser Simulationskette beschreibt anhand von Mehrskalenansätzen die Kristallisationskinetik von teilkristallinen Thermoplasten. Dabei werden die Inhomogenität des Bauteils und die lokalen Verteilungen der Überstrukturen berücksichtigt. Die Multiskalensimulation ermöglicht somit eine Berücksichtigung des Kristallisationsprozesses während der Erstarrung und ermittelt die daraus resultierenden inhomogenen Werkstoffeigenschaften. Diese verknüpfte Beschreibung von Prozess- und Materialeigenschaften in der Simulation ist eines der Grundelemente der integrativen Produktionstechnik. 

Um die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie wettbewerbsfähig am Markt zu etablieren, müssen die Technologien bezahlbar sein. Insbesondere wird das Ziel der Kostenreduktion und die Erhöhung der Systemzuverlässigkeit fokussiert.

Das technische Ziel des Vorhabens ist die Erforschung einer Wasserstoffspeichertechnologie, die im Vergleich zum jetzigen Stand der Technik niedrigere Kosten sowie ein geringeres Gewicht bezogen auf die gespeicherte Wasserstoffmenge aufweist. Hierzu wird die gesamte Wertschöpfungskette analysiert. Neben der Optimierung der Kohlenstofffaserqualität soll eine Optimierung der Faserablage im Wickelprozess über eine optische Prozesskontrolle erfolgen. Des Weiteren soll eine Abschätzung der Lebensdauer des Liners und insbesondere der Liner-Boss Verbindungsstelle erfolgen. Eine Dichtheit des Liners unter hohen thermischen, mechanischen und medialen Beanspruchungen ist über die Lebensdauer des Drucktanks zu gewährleisten.

Der aktuelle Forschungsschwerpunkt im Bereich der Lebensdauerabschätzung der Liner-Boss Verbindungsstelle liegt auf der Entwicklung eines anwendungsnahen Prüfaufbaus zur Charakterisierung des Linerwerkstoffs unter hohen thermischen, mechanischen und medialen Beanspruchungen. Die experimentell gewonnenen Erkenntnisse werden in einer Struktursimulation genutzt um, Liner-Boss Anbindungskonzepte detailliert bewerten zu können. Hierzu ist die Entwicklung eines erweiterten Materialmodells zur Beschreibung des Linerwerkstoffs notwendig.

Dieses Thema wird in enger Zusammenarbeit mit den Forschungsbereichen Simulation und Faserverstärkte Kunststoffe erforscht.

Lösungen für die Industrie

Werkstoffentwicklung

Als Entwicklungspartner unterstützen wir Kunden aus der Industrie bei der Werkstoffentwicklung. Wir beraten Sie beim Aufbau eigener Kapazitäten und Kompetenzen in der Kunststoff-Werkstofftechnik oder übernehmen Dienstleistungen bei der Entwicklung neuer Werkstoffe. Lesen Sie mehr über unser Angebot im Bereich der Werkstoffentwicklung.

Mehr erfahren

Werkstoffprüfung

Wir verfügen über umfassende zertifizierte Prüfkapazitäten und hochqualifizierte Mitarbeiter, die das mechanische, thermische, rheologische und physikalische Materialverhalten für Sie ermitteln. Wir nutzen die Mikroskopie, charakterisieren Oberflächeneigenschaften und bestimmen Materialzusammensetzungen mit chemischen Methoden. Verschaffen Sie sich einen vollständigen Überblick über den Bereich der Werkstoffprüfungen am Zentrum für Kunststoffanalyse und -prüfung.

Mehr erfahren