Blick in die Blackbox der kontinuierlichen Vulkanisation

IKV entwickelt Modell zur Digitalisierung des Kautschukprofil-Extrusionsprozesses

Messsystem HeatStraD – Heating Strategy Developer – im Extrusionstechnikum des IKV | Foto: IKV / Fröls

Ein zentrales Forschungsthema am IKV ist die kontinuierliche Vulkanisation bei der Herstellung von Gummiprofilen, wie Schläuchen und Dichtungen. Gemeinsam mit dem Industriepartner Gerlach Maschinenbau GmbH aus Nettetal ist es den Forschern erstmals gelungen, umfassendes Prozesswissen zu unterschiedlichen Heizstrategien und Energieformen bei der Vulkanisation zu erlangen. Die ermittelten Daten dienen nicht nur dazu, den Prozess zu optimieren, sondern werden nun auch zur Entwicklung von Prozessmodellen genutzt.

Bisher stellt die kontinuierliche Vulkanisation bei der Herstellung endloser Gummiprofile einen Prozess dar, der sich weder überwachen noch regeln lässt, quasi einen Blackbox-Prozess. Während eine umfassende Sensorik im Misch- und Extrusionsprozess bereits tiefgehende Prozessinformationen liefert und für die meisten Teilprozesse verschiedene erprobte Modelle existieren, musste der Vulkanisationsprozess vollständig empirisch eingestellt werden. Als zentrale Freigabekriterien für die hergestellten Gummiprofile werden bis heute mechanische Eigenschaften herangezogen. Einen wichtigen Kennwert stellt beispielsweise der Druckverformungsrest (DVR) dar, der für viele OEM ein Abnahmekriterium ist. Verschiedene Normen sehen für die Messung des DVR eine Messdauer von mindestens 24 h, häufig bis zu 72 h vor. Während der Messung muss die Fertigung trotz bestehender Unsicherheiten weitergeführt werden. Auch eine Qualifizierung des Prozesses ist ohne anlagen- und produktnahe Messdaten nicht möglich.

Aus diesen Gründen beschäftigt sich eine Arbeitsgruppe am IKV intensiv mit der kontinuierlichen Vulkanisation von Gummiprofilen. Unter Einsatz des neu entwickelten Messsystems (HeatStraD – Heating Strategy Developer, Bild) erarbeiteten die Forscher gemeinsam mit dem Industriepartner umfassendes Prozesswissen. Diese Daten werden als Vorstufe zur Entwicklung von Prozessmodellen genutzt und dienen gleichzeitig der Identifizierung robuster Prozesspunkte für die kontinuierliche Vulkanisation. Das Ziel der nächsten Stufe ist es, neue Modelle und Erkenntnisse prozess- und datenbankbasiert zu nutzen, um die Qualität vulkanisierter Kautschukprofile gezielt ein- und sicherzustellen. So wird eine ganzheitliche Digitalisierung der Prozesskette möglich. Außerdem wird derzeit eine neuartige, durch das IKV als Patent eingereichte Technologie entwickelt und geprüft, mit der das IKV erstmals in der Lage sein wird, den Vernetzungszustand vulkanisierter Profile unmittelbar nach Anlagenaustritt oder am Ende einer Produktionslinie zu messen.

In diesem Verfahren wird eine Analyse der Resonanzfrequenz des vulkanisierten Profils genutzt, die bei isothermen Verhältnissen sehr gut mit dem Vernetzungsgrad korreliert. Um eine Nutzung der Messdaten nicht nur zur Qualitätsüberwachung, sondern zur ganzheitlichen Digitalisierung der Prozesskette im Sinne der Kunststoffindustrie 4.0 zu ermöglichen, sollen in einem beantragten Forschungsvorhaben die Weiterentwicklung und Umsetzung der Vulkanisationsgrad-Messtechnik für kontinuierliche Prozesse sowie die Entwicklung einer Temperaturmesstechnik und prozessintegrierten Temperaturmodellierung zur Korrektur der Vernetzungsmessdaten aufgebaut werden. Gemeinsam mit Gerlach Maschinenbau und CT Datentechnik wird dies mit Beispielprozessen und einem Vorschlagssystem zur Prozesspunktoptimierung untermauert. Die Daten sollen dann mit Hilfe einer innovativen Mensch-Maschine-Schnittstelle dem Maschinenführer zur Verfügung gestellt werden. 

Ansprechpartner für Fragen:
Florian Lemke, M.Sc.
Gruppenleiter Kautschuktechnologie
Telefon: +49 241 80-28353
E-Mail: florian.lemke@ikv.rwth-aachen.de