IKV fokussiert Technologien, Komponenten und Materialien für die zukünftige H2-Wirtschaft

Partner der H2 Studie untersuchen gemeinsam die Einsatzpotenziale von Kunststoffen für effiziente Materialtechnologien. Intensive Diskussionen beim Workshop der Studienpartner im Super C.

In der H2-Studie beantworten die Partner die Fragestellung, wie Materialsysteme zu zukunftsorientierten Wasserstofftechnologien beitragen können | Bild: IKV

Teilnehmer beim 2nd Review-Meeting der H2 Studie im Super C derRWTH | Bild: IKV

Im EU-Paket Fit for 55 formulieren die Mitgliedsstaaten Anfang Juni 2022 das Ziel einer 55-prozentigen Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber dem Stand von 1990 zu erreichen. In diesem Zusammenhang sollen konkret CO2-Emissionen von Fahrzeugflotten 2035 im Vergleich zu 2021 zu 100 % reduziert werden, was einem Verbot von Verbrennungsfahrzeugen entspricht. Um das EU-Ziel der Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts zu erreichen ist die Ausweitung der Wasserstoffnutzung ein zentraler Punkt im Brüsseler Green Deal.

Wasserstoff wird in den nächsten 10 bis 15 Jahren eine zentrale Rolle in der europäischen Energiewirtschaft übernehmen. Durch die Möglichkeit elektrolytisch erzeugten Wasserstoff in komprimierter gasförmiger, flüssiger, chemischer oder physikalischer Form dauerhaft zu binden, können schwankende erneuerbare Energien, beispielweise aus Windkraft oder Solar, effizient gespeichert, transportiert und fern vom Erzeugungsort auf vielfältige Weise genutzt werden.

Das IKV beantwortet in seiner H2-Studie gemeinsam mit Industriepartnern die Fragestellung, wie Materialsysteme zu zukunftsorientierten Wasserstofftechnologien beitragen können, denn die weitreichende Implementierung einer H2-Infrastruktur wird durch hohe Systemkosten und, im Vergleich zu batterieelektrischen Technologien, geringere Wirkungsgrade erschwert. Signifikante Verbesserungen der Effizienz bei der Erzeugung, dem Transport und der Umwandlung von Wasserstoff werden nur durch Innovationen angeregt, die durch Materialien und korrespondierende Verarbeitungstechnologien ermöglicht werden. Die Partner der gemeinsamen Studie nutzten zudem die Möglichkeit zum Netzwerken, um mit anderen Industrieteilnehmern die Marktchancen der H2-Wirtschaft für ihre Materialien, Prozesse, Anlagen und Dienstleistungen zu erörtern und Partnerschaften in diesen aufstrebenden Märkten zu diskutieren

Die erste Phase der Studie wurde im Februar 2022 mit der Vorstellung einer Marktanalyse inklusive der Erarbeitung von 41 Submärkten erfolgreich abgeschlossen. Aufbauend auf der Auswahl der 25 relevantesten Märkte durch die Studienpartner fokussierte die zweite Phase die Technologien, Systemkonfigurationen, Komponenten und Materialien von der Gewinnung bis zur Nutzung von Wasserstoff. Diese Technologiesegmente wurden in einer Präsenzveranstaltung am 22. Juni 2022 auf knapp 500 Folien den 35 Teilnehmern vorgestellt. In Kleingruppen wurden mehr als 50 Technologie- und Systemkonfigurationen sowie mehr als 60 Komponenten intensiv diskutiert. Der Fokus lag dabei auf einer detaillierten Analyse der Anwendungsfelder, Funktionsweisen, den technologischen Herausforderungen sowie TRLs. Es konnten bereits eine Vielzahl bestehender Kunststoffanwendungen und Potenziale für zukünftige Implementierungen identifiziert werden. So wird für Offshore-Pipeline-Systeme bereits heute auf thermoplastische faserverstärkte Rohre gesetzt, die aufgrund ihrer elastischen Eigenschaften signifikant engere Biegeradien als metallische Alternativen ermöglichen und folglich besser aufgerollt und per Schiff an ihre Bestimmungsorte transportiert werden können. Hier kommen zum Beispiel Polyethylen, Polyamid oder Polyvinylidenefluorid zum Einsatz. Ihre Anwendung ist in Tiefen von über 2000 m mit Betriebsdrücken von mehreren hundert Bar möglich.

Auch in Polymerelektrolytbrennstoffzellen gehen Kunststoffanwendungen weit über die eigentliche Membran hinaus. So wird als Alternative zu metallischen Bipolarplatten, die Fertigung dieser im Spritzgussverfahren auf der Basis von hochgefüllten Thermoplasten, wie PP, PPS, PVDF, untersucht. Zur Steigerung der Wärmeleitfähigkeit und elektrischen Leitfähigkeit wird Graphit als Füllstoff mit bis zu 80 gew.% zugegeben. Vorteile kunststoffbasierter Bipolarplatten sind beispielswiese eine erhöhte Korrosions- und Chemikalienbeständigkeit sowie ein geringeres Gewicht. Weitere Anwendungsbeispiele sind Kautschukdichtungen oder Gehäuseelemente. In allen Fällen bieten Kunststoffe den Vorteil, dass sie anders als viele Metalle keiner Wasserstoffversprödung unterliegen, da Wasserstoff in Kunststoffen molekular diffundiert und nicht dissoziiert. Allerdings weisen Kunststoffe deutlich höhere Permeationsraten auf, sodass größere Wasserstoffverluste zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus können neben anderen Kontaminationen im Falle von Kunststoffen ionische Verbindungen durch den H2-Strom ausgespült werden und zur Brennstoffzelle transportiert werden, wo sie die aktiven Zentren der Katalysatorschicht besetzen und folglich die Leistung der Brennstoffzelle negativ beeinflussen.

Anhand dieser ausgewählten Beispiele ist zu erkennen, dass vielfältige Anwendungsmöglichkeiten von Kunststoffen in der Wasserstoffwirtschaft bestehen, Herausforderungen jedoch mindestens in ähnlicher Größenordnung vorhanden sind. Diese sind dabei teilweise auch dadurch bedingt, dass es nur wenig Erfahrung im Umgang von Kunststoffen unter Wasserstoffeinfluss bei Materialherstellern, Verarbeitern, Anlagenherstellern oder Systemanbietern gibt.

Vor diesem Hintergrund erfolgt in der dritten Phase der H2-Studie des IKV eine detaillierte Betrachtung der Teilsysteme und Komponenten auf der Grundlage einer Potenzialabschätzung sowie einer Abstimmung zur Identifizierung des Interesses der Studienteilnehmer. Aufbauend werden anwendungsspezifische Anforderungen ermittelt und Einsatzpotenziale von kunststoffbasierten Materialtechnologien überprüft. Abschließend sollen Konzeptstudien zur Substitution bestehender Werkstoffe durch Kunststoffe unter Berücksichtigung der Auslegung der Kunststoffsysteme, der Bauteilgestaltung sowie Fertigungstechnologien und unter technologische sowie wirtschaftlichen Gesichtspunkten entwickelt werden.

Haben Sie Interesse an den Ergebnissen der Studie, möchten Sie die weitere Analyse von Kunststoffpotenzialen in der H2-Wirtschaft mitgestalten und sind Sie daran interessiert mit den Partnern der Studie in Kontakt zu treten, beraten wir Sie gerne über Ihre Möglichkeiten zur Teilnahme.

Philipp Surray, M.Sc.
+49 241 80 96960
H2@ikv.rwth-aachen.de