Start-Up IonKraft entwickelt Produktionstechnik für Plasmabeschichtungen von Kunststoffverpackungen

4 Fragen an die Gründer des Start-up-Unternehmens IonKraft, das wissenschaftliche Erkenntnisse zur Plasmabeschichtung in der Produktionstechnik in die Anwendung im industriellen Maßstab überführen will.

Die Gründer von IonKraft: Montgomery Jaritz und Benedikt Heuer | Bild: Ionkraft

IonKraft ist auf den ersten Blick ein klassisches Start-up. Das bezieht sich auf die Mitarbeiterzahl des jungen Unternehmens, auf das spürbare Engagement und die große Motivation seiner Gründer und auf die zündende Idee, die hinter der Unternehmung steckt: Mittels Plasmatechnologie wollen die Gründer Kunststoffverpackungen für Barriereanwendungen in der chemischen Industrie recycelbar machen und damit Multimateriallösungen ersetzen. Ihren Ursprung hat diese Technologie in den Forschungsarbeiten der Arbeitsgruppe Plasmatechnologie des IKV (Institut für Kunststoffverarbeitung, RWTH Aachen) - nun soll sie mit IonKraft den Weg in die industrielle Anwendung finden. In entscheidender Hinsicht ist IonKraft aber kein typisches Start-up-Unternehmen: Montgomery Jaritz und Benedikt Heuer starten ein Deep Tech Start-up, dessen Technologie im Anlagenbau und der Verpackungsproduktion zum Einsatz kommen soll. Anders als bei digitalen Produkten bewegen sie sich hier in einer eher konservativen Branche mit hohem Kapitalbedarf und mitunter langen Entscheidungswegen. Ihr Vorhaben wurde schon zu Beginn durch eine externe Expertenjury auf Herz und Nieren geprüft – auch das ist eher ungewöhnlich für ein Start-up, brachte den Gründern aber das Privileg, durch das Programm EXIST-Forschungstransfer des BMWi weitreichend finanziell gefördert zu werden.

Im Interview erläutern Montgomery Jaritz und Benedikt Heuer, welche Ziele sie mit IonKraft verfolgen.

Frage 1: Was ist Ihre Hauptmotivation dafür, mit IonKraft eine Produktionstechnik für recyclefähige Kunststoffverpackungen mittels Plasma auf den Weg zu bringen?

Jaritz: Ich beschäftige mich seit meiner Zeit als studentische Hilfskraft am IKV, also seit mehr als 10 Jahren, mit der Plasmatechnologie. Die Vorteile von Barriereschichten waren damals alles andere als weitreichend bekannt. Seitdem habe ich forschungsseitig alle Entwicklungsstufen nicht nur miterlebt, sondern, z.B. im Sonderforschungsbereich TR 87, auch aktiv an der Weiterentwicklung mitgearbeitet. Deshalb weiß ich, dass die Technologie einen echten Entwicklungssprung gemacht hat und industriell mittlerweile äußerst vielseitig einsetzbar ist. Die Plasmatechnik hat einen Reifegrad erreicht, mit dem man echte Problemstellungen angehen kann. Was noch fehlt, ist der technologische Transfer unserer entwickelten Prozesse in die Produktionstechnik. Mit IonKraft nehmen wir es jetzt in die Hand, unsere Plasmatechnologie in die Industrie zu überführen, um Kunststoffverpackungen zu ermöglichen, die besonders leicht, dicht wie Glas, chemisch absolut beständig und trotzdem voll recyclefähig sind. Damit können wir also Verantwortung für ein sehr konkretes Problem in unserer Gesellschaft übernehmen. Das motiviert mich.

Heuer: Für Unternehmensgründungen ist das richtige Timing immer wichtig, und ich bin überzeugt, dass wir eine sehr gute Idee zum richtigen Zeitpunkt etablieren wollen. Gerade jetzt bekommt das Kunststoffproblem in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit. Unternehmen haben also einen starken, externen Antrieb, nach recycelbaren Alternativen zu suchen. Dabei ist der Schutz des Füllguts durch eine Barriere immer eine Herausforderung. Und hier kommen wir mit unserer Beschichtungstechnologie ins Spiel.

Frage 2: Das Unternehmen wird finanziell durch den EXIST-Forschungstransfer gefördert. Was genau ist das Ziel dieser Förderung und was müssen Sie im Gegenzug leisten?

Jaritz: Am Ende der ersten Förderphase steht der Prototyp unseres innovativen Reaktors, mit dem Plasmabeschichtungen mit Barrierewirkung auf großvolumige Behälter aus Monomaterialien wie z.B. PE oder PET aufgebracht werden können. Im Labormaßstab werden alle Anforderungen an die industrielle Produktion heutiger Verpackungslösungen erfüllt, es wird eine Prozesssicherheit hergestellt. Allerspätestens dann schließt sich das Ziel an, eine strategische Partnerschaft mit einem Maschinenbauer einzugehen, mit dem wir unser Produkt auf Industriemaßstäbe skalieren können.

Heuer: Neben der finanziellen Förderung dieses Ziels eröffnet sich für uns über den EXIST-Forschungstransfer der Zugang zur RWTH-Infrastruktur. Ohne den Support der RWTH und des IKV wäre das Projekt nicht zu realisieren, denn für die Entwicklung benötigen wir permanenten Zugriff auf Messtechnik, Labore und Anlagen, den wir unter finanziellen und organisatorischen Gesichtspunkten extern gar nicht sicherstellen könnten. Darüber hinaus haben wir schon in der Pitch-Phase, also vor der Zusage der Förderung durch das BMWI, immens vom Know-how des IKV und von der Unterstützung durch die RWTH Innovation GmbH profitiert.

Frage 3: Wie sieht das konkrete Geschäftsmodell von IonKraft aus? Womit wollen Sie letztendlich auch nach der Förderungsphase Einnahmen erwirtschaften?

Heuer: Unsere Kernkompetenz ist die Entwicklung und Produktion des Reaktors, der Kunststoffverpackungen für die chemische Industrie beschichtet und mit Barrierefunktionen ausstattet. Die fertigen Reaktoren möchten wir am Ende, in Kooperation mit einem noch zu findenden strategischen Partner, vertreiben. Der Partner sollte dann insbesondere für die Produktion und Automatisierungstechnik verantwortlich sein. Dies sind Aspekte, die wir nicht zu unseren Kernkompetenzen zählen und auf die wir uns bei IonKraft auch nicht zusätzlich konzentrieren werden. Zum Geschäftsmodell gehört aber auch, dass wir unser Know-how dem Kunden zur Verfügung stellen. Beim Endkunden werden wir uns zum Beispiel um den Service kümmern, der zu der Produktionstechnik gehört. Dazu zählt unter anderem die Prozesseinrichtung, denn unterschiedliche Verpackungsgeometrien erfordern zwingend eine Prozessanpassung. Diese Dienstleistung sehen wir als Teil unseres Geschäftsmodells.

Jaritz: Für die erforderlichen Prozessanpassungen können wir auf eine im IKV entwickelte Entwicklungsroutine zurückgreifen, die diagnostikbasiert ist. Das heißt, statt empirischer Versuche bieten wir eine diagnostikbasierte Schichtentwicklung an, die auf schnellem Weg passgenau für das jeweilige Produkt die beste Funktionalität der Schicht garantiert. Dazu betrachten wir mittels Emissionsspektroskopie die Plasmaeigenschaften, simulieren die Gasverteilung im späteren Behälter und kommen so zu einem optimalen Ergebnis für die individuelle Verpackung. So können wir zunächst Machbarkeitsanalysen für die Produktpalette des Kunden durchführen und darüber hinaus die passende Produktionstechnik konfigurieren und anbieten.

Frage 4: Inwiefern sind die Schichten, die der Reaktor in der Lage sein wird aufzubringen, auf eine konkrete Anwendung ausgerichtet? Bzw. in welchen Branchen und Sparten gibt es denkbare Anwendungsfälle?

Jaritz: Die mittels Plasma erzeugten Schichten bieten eine starke Migrationsbarriere. Verpackungen in der Agrarindustrie erfordern z.B. oft eine Lösungsmittelbarriere. Mit unserem ersten Reaktordesign werden wir Verpackungsgrößen bis 20 Liter beschichten können. Das entspricht dem Bedarf der Agrarindustrie für die Verpackung von Dünge- oder Pflanzenschutzprodukten. Der Vorteil der mit Plasmatechnologie aufgebrachten Schichten ist, dass sie hauchdünn auf Monomaterialien aufgebracht werden können. Die Schichten haben den positiven Effekt, dass sie das Recycling der Verpackung nicht beeinträchtigen. Dieser Effekt kann durchaus bei vielen weiteren Anwendungen ausgenutzt werden.  

Mit der Plasmabeschichtung lässt sich aber auch eine Sauerstoffbarriere realisieren, die das Oxidieren der Füllgüter verhindert. Dieser Vorteil ist speziell interessant für die Verpackung von Getränken und anderen Lebensmitteln. Die Plasmabeschichtung ist für den Lebensmittelbereich aktuell auch bereits zugelassen.

Unser spezieller Reaktor kann zudem Behälter sowohl von innen als auch von außen beschichten. Somit kann unsere Plasmabeschichtung z.B. als Geruchsbarriere dienen, die den schlechten Geruch des Rezyklats sozusagen einschließt. Wenn durch Plasmabeschichtung eine Geruchsbarriere herbeigeführt wird, lässt sich prinzipiell der Einsatzbereich von Rezyklaten erweitern und der Kunststoffkreislauf an einer weiteren Stelle schließen. In einem separaten Projekt am IKV wird in dieser Hinsicht erforscht, inwieweit sich unsere Schichten dazu eignen, Post Consumer Rezyklat für die Wiedernutzung im Lebensmittelbereich sicher zu machen. Damit eröffnen wir der Verwendung von Rezyklaten völlig neue Optionen. Das mögliche Anwendungsspektrum ist also extrem groß.

Ansprechpartner für weitere Informationen

Montgomery Jaritz, M.Sc.
Jaritz@ionkraft.com
www.ionkraft.com