Leichtbau - Effizienter Einsatz von UD-Tapes in Spritzgießbauteilen

Aachen, im Oktober 2023 – Tape-Einleger bieten enormes Potential für die Herstellung von besonders steifen und festen Spritzgießbauteilen. Im seit Dezember 2021 laufenden Forschungsvorhaben Tape-Technologie Transfer-Hub“ (T³-Hub) untersucht das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen gemeinsam mit fünf weiteren Konsortialpartnern, wie Tape-Technologie für konventionelle Spritzgießbauteile in die Großserie transferiert werden kann. Während des 32. Kunststofftechnischen Kolloquiums werden vielversprechende Ergebnisse präsentiert.

Abbildung 1: Optimierung der Tape-Platzierung zur Verzugsminimierung

Abbildung 2: Rheologische Fließkanalauslegung des Werkzeugs zur Tapeherstellung

Thermoplastische Verbundwerkstoffe wie unidirektionale Tapes und Organobleche werden aufgrund ihres hohen Potenzials zur Herstellung von Verbundteilen mit gesteigerter Steifigkeit und Festigkeit vor allem in der Luft- und Raumfahrt sowie der Automobilindustrie verstärkt eingesetzt. Diese Materialien, insbesondere UD-Tapes, finden darüber hinaus vermehrt Verwendung in kostenbewussten und hochvolumigen Branchen, um Material, Kosten und CO2-Emissionen zu reduzieren.

Es wurde bereits gezeigt, dass eine lokale Verstärkung eines spritzgegossenen Bauteils durch eine geringe Menge UD-Tape genutzt werden kann um Wandstärken zu reduzieren und Material einzusparen. In der Praxis hat sich die Verwendung von nur einer geringen Menge dünner UD-Tapes zur Steigerung der Leistung eines spritzgegossenen Teils jedoch noch nicht durchgesetzt. Zum einen weil das Potenzial dieses Verfahrens noch nicht ausreichend bekannt ist und zum anderen weil die praktische Umsetzung dieser Technologie noch nicht ausreichend erforscht ist.

Im Rahmen einer früheren Studie in Zusammenarbeit mit 20 Industriepartnern haben die Forschungsinstitute IKV und AZL eine detaillierte Analyse zur Verwendung von UD-Tapes in Spritzgussbauteilen durchgeführt. Das Ziel der Studie war es, potenzielle Anwendungen zu identifizieren und das Einsatzspektrum über die High-Performance-Anwendung hinaus zu erweitern, insbesondere in Bereichen, in denen Kostenreduzierung von zentraler Bedeutung ist.

Im Konsortialprojekt „Tape-Technologie Transfer-Hub“ (T³-Hub) untersucht das IKV nun gemeinsam mit dem Aachener Zentrum für integrativen Leichtbau (AZL), der AZL Aachen GmbH, der AVK-TV GmbH, der SIMCON kunststofftechnische Software GmbH und der Conbility GmbH, wie die Tape-Technologie für konventionelle Spritzgießbauteile in die Großserie transferiert werden kann, um die Einspareffekte optimal ausnutzen zu können. Das Forschungsvorhaben läuft seit Dezember 2021 und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.

Im Rahmen des Projekts werden Methodiken zur Potenzialbewertung und zum Re-Design von Bauteilen entwickelt. Außerdem werden Fragestellungen über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg betrachtet: von der Tapeherstellung, über die Einlegerherstellung bis zum Hinterspritzen. Parallel zur praktischen Umsetzung und Untersuchung wird im Konsortium eine vollständige Datenkette aufgebaut und der Prozess auf simulativer Ebene abgebildet.

Simulative Methode zur Optimierung von verstärkten Spritzgussbauteilen mit thermoplastischen Tapes

Als Projektpartner entwickelte das IKV eine Optimierungsmethodik zum Lastfallgerechten Re-Design von Spritzgießbauteilen unter Einsatz lokaler Tape-Einleger. Die erheblichen Unterschiede in Steifigkeit und thermischem Ausdehnungskoeffizienten zwischen den Tapes und dem Compound führen beim Spritzgießen oft zu deutlichem Verzug. Im Rahmen dieses Projekts hat das IKV einen Optimierungsalgorithmus entwickelt, der die automatisierte Gestaltung solcher Bauteile ermöglicht, ohne dass es zu Verzerrungen kommt. Gleichzeitig werden die mechanischen Designziele berücksichtigt. Der Schlüssel liegt darin, den induzierten Verzug in der Tapestruktur zu nutzen, um den Verzug in den übrigen Tapes auszugleichen (Abbildung 1).

Der Optimierungsalgorithmus des IKV wurde erfolgreich angewendet, um die Seitenwand einer wiederverwendbaren Klappbox neu zu gestalten. Diese Klappboxen werden weltweit in der Logistikbranche eingesetzt und sind mit einer Gesamtzahl von über 20 Millionen im Umlauf. Das Ziel der Neugestaltung war eine Steigerung der Biegesteifigkeit um 50 % bei gleichzeitiger Verzugsminimierung. Dieses Ziel wurde für zwei verschiedene thermische Lastfälle erreicht, und der Verzug lag in beiden Fällen innerhalb der Herstellerspezifikationen. Um dieses Ziel zu erreichen, genügten 4 g eines PP-GF30-Tapes, was etwa 1 % des Gesamtgewichts des Bauteils entspricht.

Als nächster Schritt im Projekt werden die Simulationsergebnisse validiert, indem die optimierten Tapestrukturen in den Fertigungsprozess integriert werden. Anschließend wird der IKV-Algorithmus genutzt, um die erforderliche Menge an Compound für die Herstellung der Boxen zu optimieren. Mit dieser Konstruktionsmethode soll es möglich werden, solche Tapes zukünftig auch ohne umfangreiches Fachwissen in Spritzgussbauteile integrieren zu können.

Produktivitätssteigerung in der Tapeherstellung

Derzeit ist die Herstellung von UD-Tapes noch mit hohen Kosten verbunden. Damit die Tape-Technologie sich in der Massenanwendung durchsetzen kann, muss aber auch die Tape-Herstellung ressourcen- und kosteneffizient werden. Das IKV hat dafür eine neue Anlage zur Herstellung von Tapes im Schmelzeimprägnierverfahren im Technikumsmaßstab aufgebaut, die eine effiziente Tapeherstellung ermöglicht. Die Produktionsgeschwindigkeit soll dabei auf bis zu 20 m/min gesteigert werden können. Das hierbei eingesetzte Imprägnierwerkzeug wurde von Grund auf am IKV entwickelt und ausgelegt (Abbildung 2).

Weiterhin werden verschiedenste Materialkombinationen verarbeitet, denn auch die Materialauswahl hat einen unmittelbaren Einfluss auf Kosten und CO2-Footprint. Während des Prozesses werden Produktionsdaten erhoben und mit den resultierenden Tapequalitäten korreliert. Damit kann in der weiteren Prozesskette erörtert werden, welche Tape-Qualität ausreichend ist, um nach der Verarbeitung im Tapelegen, Aufheizen, Umformen und Hinterspritzen am Ende der Prozesskette im Bauteil die besten Ergebnisse unter Berücksichtigung ökologischer, wirtschaftlicher und technologischer Anforderungen zu erzielen.

Im Weiteren wird im Gesamtprojekt die Verarbeitung im Spritzgießprozess untersucht. Dies geschieht auf Demonstratorebene beim Projektpartner AZL. Auf Prüfkörperebene werden am IKV mithilfe eines entwickelten Technologiewerkzeugs Anbindeigenschaften und Handlingfragestellungen untersucht. Erste Ergebnisse auf Bauteilebene wurden bereits am IKV erzielt und ermöglichen Aussagen zum Einfluss von Spritzgießparametern und Tapepositionen auf Verzug und Positioniereigenschaften der Tapes.

Tape Technologie beim 32. Internationalen Kolloquium Kunststofftechnik

Tape-Technologie in Spritzgießbauteilen ist Thema in folgenden Sessions:

Session 1: Prozesstechnik für das Spritzgießen von Leichtbauteilen

Session 14: Kosteneffiziente Auslegung von Tape-verstärkten Großserien-Bauteilen

Den Tapeherstellungsprozess demonstrieren die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen im Rahmen von IKV 360°-Forschung live im Technikum für Faserverstärkte Kunststoffe.

Pressekontakt:

Rebecca Hierlwimmer, M.A.
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +49 241 80-93672
E-Mail: Rebecca.hierlwimmer@ikv.rwth-aachen.de

Ihr Ansprechpartner für Fragen zum Thema Tapeverarbeitung:

Dominik Foerges
Abteilungsleiter FVK
Telefon: +49 241 80-23617
E-Mail: dominik.foerges@ikv.rwth-aachen.de

Über das IKV

Das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen ist europaweit das führende Forschungs- und Ausbildungsinstitut auf dem Gebiet der Kunststofftechnik. Mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beantworten hier Fragestellungen rund um die Verarbeitung, Werkstofftechnik und Bauteilauslegung von Kunststoffen und Kautschuken. Die enge Verbindung mit Industrie und Wissenschaft sowie die exzellente Ausstattung des IKV ermöglichen den Studierenden eine praxisnahe und umfassende Ausbildung. Die Aachener Kunststoffwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind deshalb begehrte Spezialisten in der Industrie. Etwa 50 Prozent der deutschen Kunststoffingenieurinnen und -ingenieure mit Universitätsabschluss wurden am IKV ausgebildet. Träger des Instituts ist eine gemeinnützige Fördervereinigung, der heute rund 300 Unternehmen aus der Kunststoffbranche weltweit angehören. Leiter des Instituts und Geschäftsführer der Fördervereinigung ist Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann. Er ist gleichzeitig Inhaber des Lehrstuhls für Kunststoffverarbeitung der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen.