Nachhaltigkeit - Für die Kreislaufwirtschaft Extra-Schichten einlegen?

Aachen, im Oktober 2023 – Um dem Ziel einer umfassenden Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe näherzukommen (und seinen Partnern Extra-Schichten zu ersparen), ist das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen führend an Forschungsprojekten beteiligt, in denen es mit zahlreichen Partnern die Wertschöpfungskette der Kunststoffrezyklate ganzheitlich optimiert. Das 32. Internationale Kolloquium Kunststofftechnik gibt einen Einblick.

Abbildung 1: Grundlegender Ablauf zur KI-gestützten Rezepturentwicklung von Compounds

Abbildung 2: Plasma-Barrieren als Migrationsbarrieren am Beispiel für Rezyklate.

Durch eine konsequente Nutzung von Rezyklaten als Bestandteil von Kunststoffprodukten können Emissionen (wie etwa CO2 oder der Eintrag von Makro- und Mikroplastik in Gewässer) und der Erdölbedarf drastisch reduziert werden. Allerdings gelingt diese nachhaltige Mehrfachnutzung der wertvollen Rohstoffe noch nicht an allen Stellen. Beispielsweise werde im Verpackungssektor aktuell nur ca. 11 % der Rezyklate für eine erneute Verpackungsherstellung verwendet. Verschiedene Faktoren erschweren dies, wie etwa die:

- begrenzte Verfügbarkeit von Qualitäten hoher Reinheit
- schwankenden Eigenschaften
- eingeschränkte Akzeptanz von Kunststoffrezyklaten
- mangelnde ökonomische Attraktivität des Rezyklateinsatzes

Diese Herausforderungen können Akteure in der Kunststoffbranche ohne starke Partner und ohne innovative Ansätze z. B. zur Material- und Prozessentwicklung nur unter großem Aufwand begegnen. In verschiedenen Forschungsprojekten untersucht das IKV Möglichkeiten, um die Wertschöpfungskette der Kunststoffrezyklate ganzheitlich zu optimieren.

Ganzheitliche KI-basierte Optimierung von Kunststoffverpackungen mit Rezyklatanteil

Ein solches Vorhaben ist der „KI-Anwendungshub Kunststoffverpackungen“, innerhalb dessen das IKV im Unterprojekt „KIOptiPack: Ganzheitliche KI-basierte Optimierung von Kunststoffverpackungen mit Rezyklatanteil“ mehrere Ziele verfolgt: Primär ist die Bereitstellung, Validierung und der Anwendungstransfer praxisreifer KI-gestützter Werkzeuge für das erfolgreiche Produktdesign sowie die qualitätsgerechte Produktion von Kunststoffverpackungen mit hohem Rezyklatanteil im Visier. Unterstützt wird dies durch einen KI-Anwendungs- und Datenraum und die Bildung einer zentralen Netzwerkplattform (die z. B. die Konsumenten und deren Verhalten einbezieht) für das Wertschöpfungsengineering.

Als ein konkretes Beispiel für ein KI-gestütztes Werkzeug sei die Compoundentwicklung genannt (Abbildung 1): An die Stelle eines „iterativen Herantastens“ an die gewünschte Viskosität des Compounds tritt die Nutzung von bestehenden Datenpunkten und – wo nötig – die Charakterisierung von Extrempunkten, während den Raum zwischen den Datenpunkt ein KI-Modell beschreibt. Dieses erreicht eine deutlich bessere Abbildungsgüte (R² = 0,97) als beispielweise eine Regressionsanalyse (R² = 0,60).

Dies illustriert, wie KI aus leicht zu erfassenden (oder bereits vorhandenen) Daten Mehrwert schaffen und Kunststoffverarbeitern großen Aufwand zur Findung der idealen Viskosität des Compounds ersparen kann, so dass sie keine Extra-Schichten schieben müssen.

Jedoch müssen bei Rezyklaten neben Verarbeitungseigenschaften wie der Viskosität auch Gebrauchseigenschaften betrachtet werden. So müssen geeignete Maßnahmen getroffen werden, um in Kunststoff verpackte Güter vor einer Kontamination durch eventuell in den Rezyklaten enthaltenen unerwünschten Stoffen zu schützen. Hier kommen Extra-Schichten anderer Art zum Einsatz:

Plasmabarrieren schützen verpacktes Gut

Eine vielversprechende Plattform für Barrieren ist eine Oberflächenbeschichtung durch plasmagestützte chemische Gasphasenabscheidung. Die abgeschiedenen Barrieren dienen auch der Verhinderung der Migration von Schadstoffen aus dem Rezyklingkunstoffe in das verpackte Gut (Abbildung 2). Jedoch war die Entwicklung solcher Plasma-Barrieren bisher aufgrund des analytischen Aufwandes bei der Bestimmung der Barriereperformance relativ langsam. Durch ein am IKV neu entwickeltes Verfahren, das auf innovative Modellkontaminanten und einen neuartigen Ansatz zu deren Einbringung in die Kunststoffe setzt, kann die Sperrwirkung in Zukunft deutlich schneller bewertet werden. Entsprechend wird auch die Optimierung der Plasma-Barrieren weniger Zeit in Anspruch nehmen, so dass dank dieser mit minimalen Emissionen Produktsicherheit erreicht werden kann – und das, ohne auf schlecht rezyklingfähige mehrschichtigen Kunststoffverbundfolien zurückgreifen zu müssen

Kreislaufwirtschaft beim 32. Internationalen Kolloquium Kunststofftechnik

Mit dem Thema Kreislaufwirtschaft und Rezyklateinsatz befassen sich beim Kolloquium die Session 2 (KI-getriebene Methoden zur Steugerung der PCR Nutzung), die Session 8 (Plasmabasierte Barrierebeschichtung für nachhaltige Verpackungen) sowie die Session 13 (Herausforderungen bei der Verarbeitung von PCR) mit jeweils einer Keynote aus der Industrie sowie zwei wissenschaftlichen Präsentationen aus dem IKV.

Bei „IKV 360° - Forschung live“ demonstrieren die wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das Thema anschaulich an verschiedenen Stationen.

Pressekontakt:

Rebecca Hierlwimmer, M.A.
Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon: +49 241 80-93672
E-Mail: Rebecca.hierlwimmer@ikv.rwth-aachen.de

Ihr Ansprechpartner für Fragen zum Thema Kreislaufwirtschaft:

Dr.-Ing. Malte Schön
Telefon: +49 241 80 98820
E-Mail: malte.schoen@ikv.rwth-aachen.de

Über das IKV

Das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen ist europaweit das führende Forschungs- und Ausbildungsinstitut auf dem Gebiet der Kunststofftechnik. Mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beantworten hier Fragestellungen rund um die Verarbeitung, Werkstofftechnik und Bauteilauslegung von Kunststoffen und Kautschuken. Die enge Verbindung mit Industrie und Wissenschaft sowie die exzellente Ausstattung des IKV ermöglichen den Studierenden eine praxisnahe und umfassende Ausbildung. Die Aachener Kunststoffwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sind deshalb begehrte Spezialisten in der Industrie. Etwa 50 Prozent der deutschen Kunststoffingenieurinnen und -ingenieure mit Universitätsabschluss wurden am IKV ausgebildet. Träger des Instituts ist eine gemeinnützige Fördervereinigung, der heute rund 300 Unternehmen aus der Kunststoffbranche weltweit angehören. Leiter des Instituts und Geschäftsführer der Fördervereinigung ist Univ.-Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann. Er ist gleichzeitig Inhaber des Lehrstuhls für Kunststoffverarbeitung der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen.